„Globen sind gefährlich“

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Herbstvorträge im Tobias Mayer Museum

Der zweite Vortrag in unserer diesjährigen Reihe widmete sich ganz der Globenproduktion in Deutschland von 1800 – 1950. Dr. Markus Heinz, stellvertretender Abteilungsleiter der Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin, erwies sich als ausgesprochener Experte auf diesem Gebiet. Langjährige Mitglieder des Vereins kannten Herrn Heinz bereits von seinen  Besuchen 2005 und 2012 in Marbach und er betonte, dass er wieder sehr gerne zu uns nach Marbach gekommen ist.

Den ersten Teil seines Vortrages überschrieb Herr Heinz mit: „Globen sind gefährlich“. Gefährlich? Warum denn das? Anfang des 18. Jahrhunderts wurden im Verlag Homann im Wesentlichen Taschengloben hergestellt. Der Durchmesser dieser Globen betrug ca. 7,5 cm. Die Kosmographische Gesellschaft wollte auch große Globen herstellen, was sich in der Konstruktion als sehr schwer und in der Herstellung als sehr teuer erwies. Es ist nämlich nicht so einfach aus einer Karte die Größe der Elemente einer Kugel zu berechnen. Selbst Tobias Mayer war an diesem Problem bei der Herstellung seines Mondglobus gescheitert. Johann Georg Franz, der Sohn eines Mitinhabers des Homann-Verlages in Nürnberg (wo auch schon Tobias Mayer tätig war) setzte allen Ehrgeiz daran, große Erdgloben mit einem Durchmesser von 48 cm zu produzieren. Allerdings verschuldete er sich bei diesem Vorhaben hoffnungslos. Sein Vater musste seine Anteile am Homann-Verlag verkaufen, um die Schulden zu begleichen. Einige Jahre später erkrankte Johann Georg Franz an einem Nervenleiden und verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in der Irrenanstalt. Ergo: ganz schön gefährlich diese Globen!

Allerdings trat nach der Herstellung eines Globus schon das nächste Problem auf: wie kann man diese großen und empfindlichen Teile einigermaßen kostengünstig zu den Käufern transportieren. Jetzt war die Stunde der Spielzeughersteller gekommen. Es wurden Bastelsätze für Globen aber auch Puzzelgloben hergestellt und diese konnten dann problemlos in den Versand gehen. Es wurden aber auch ganz kleine Globen, sog. Puppenstubengloben mit einer Gesamtgröße (incl. Stehfuß) von 7 cm hergestellt.

Eine weitere Idee, um das Versandproblem zu lösen, war die Herstellung von pneumatischen Globen (z.B. mit Schweinsblasen) mit einem Durchmesser von bis zu 120 cm. Diese Ära dauerte genau 4 Jahre und jedes Jahr war es ein anderer Enthusiast, der sich dieser Art der Globenherstellung widmete: 1830 Pocock, 1831 Celler, 1832 Grimm und 1834 Benoit. Danach gab es keine weitere Versuche, da sich herausstellte, dass die Kugeln porös wurden und dann in sich zusammen fielen.

Sehr interessant ist auch die Geschichte der Herstellung von Reliefgloben. August Zeune gründete 1806 in Berlin die erste Blindenschule und da er von Hause auch Geograph war, wollte er seinen Schülern den Globus nicht vorenthalten. So entstand die Idee, Reliefgloben herzustellen. Zur Unterstützung der blinden Schüler wurde in Wüstengebieten Sand aufgetragen, die blaue Farbe für Eis sollte sich kälter anfühlen als das Blau des Wassers. Städte wurden durch rote Stofffetzen dargestellt. Sechs dieser Globen von Karl Wilhelm Kummer sind erhalten und keiner gleicht dem Vorgänger. Neue Entdeckungen wurden immer gleich eingearbeitet. Alle Reliefgloben dieser Zeit waren handkoloriert und handbeschriftet. Die Beschriftung war insbesondere bei den Reliefgloben sehr aufwendig. Ernst Schotte, der die Produktion von Reliefgloben sehr erfolgreich fortführte, löste dieses Problem durch kleine gedruckte Zettelchen, die auf die Globen aufgeklebt wurden.

Globen wurden in allen Größen, Sprachen (bei Ernst Schotte in 14 Sprachen) und Gestellen (gerade, schräg, schräg mit Halbmeridian und schräg mit wissenschaftlichem Gestell hergestellt, um 1900 ca. 400 verschiedene Modelle.

Große Bedeutung hatten die Globen für die Bildung. An ihnen konnte anschaulich sowohl die Erde als Kugel als auch das Meridiansystem dargestellt werden. Mit einem wissenschaftlichen Gestell kann beispielsweise für jeden Ort der Erde und jeden Tag des Jahres die Ortszeit des Sonnenauf- und Untergangs berechnet werden. In der Erweiterung als Tellurium wird die Bewegung der Erde und des Mondes um die Sonne erlebbar (ein Tellurium haben wir auch im Tobias Mayer Museum).

Globen wurden aber auch als reine Schmuckelemente verwendet. Im 19. Jahrhundert zierten Schmuckgloben mit aufwändigen Füßen, z.B. in Gestalt des Atlas, bürgerliche Wohnzimmer.

Der Erste Weltkrieg bringt die bisherigen Verlage an den Rand ihrer Existenz oder in den Ruin. Es entstehen insbesondere zwei neue nennenswerte Verlage: Kolumbus in Berlin und Räth in Leipzig. Allerdings verlässt die Globenproduktion jetzt zunehmend den wissenschaftlichen Bereich. Globen werden immer mehr zu einem Wohnaccessoire.

Und wo kann man Globen (insbes. Mondgloben) in Marbach betrachten? Natürlich im Tobias Mayer Museum, jeden Donnerstag, Samstag und Sonntag jeweils von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr.

Gudrun Erb, Tobias-Mayer-Verein