Marbach-Zeitung Online 19.01.2018
Die Bauarbeiten am neuen Tobias-Mayer-Museum laufen auf Hochtouren. Bereits Monate vor der Eröffnung deutet sich an, welch ein Kulturschatz hier inmitten der Altstadt entsteht. Von Andreas Hennings
Foto: Michael Raubold Photographie
Es ist ein Projekt der Kontraste, das zurzeit in der Marbacher Altstadt verwirklicht wird. Auf der einen Seite steht das Haus, in dem der später weltbekannte Astronom Tobias Mayer 1723 das Licht der Welt erblickte. Ein für Marbachs Gassen typisches Gebäude – vergleichsweise klein, durchzogen von Fachwerk, ehr- und liebenswürdig. Daneben entsteht ein Neubau, der mit modernen Formen aufwartet, viel Platz bietet und sich – so das Ziel – gut ins Erscheinungsbild der Altstadt einpasst. Was die beiden Gebäude vereint: Sie werden vom Sommer an gemeinsam das Tobias-Mayer-Museum beherbergen.
Diese Vereinigung von Alt und Neu, vom kleinen Marbach und dem großen Feld der Astronomie wird bereits jetzt, während des Baus, im Keller deutlich. Die Decke ist hier formschön geschwungen, erinnert einerseits an Gewölbekeller, wie es sie in Marbach zigfach gibt. Andererseits – passend zu Mayer – ans Himmelszelt. „Das wird ein Hingucker“, sagt Armin Hüttermann, Vorsitzender des Tobias-Mayer-Vereins.
Gemeinsam mit ihm haben wir hinter Gerüst und Fassade geblickt – und so weitere Details entdeckt, welche die Besucher nach der Eröffnung im Sommer (ein Termin steht noch nicht fest) auf der 118 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche als Hingucker wahrnehmen dürften. Zum Vergleich: Das bisherige Museum erstreckte sich auf gerade einmal 18 Quadratmetern.
Noch gar nicht mit eingerechnet ist da der Veranstaltungskeller.
Die Handwerker sind hier mit der Flex zugange, es ist staubig, der Zugang erfolgt über eine provisorische Treppe. Unter der beschriebenen, aus Beton gefertigten Decke werden einmal 30 bis 40 Besucher Platz finden. Der Raum verfügt über einen separaten Eingang, kann also außerhalb der Museums-Öffnungszeiten genutzt werden. Angedacht sind Vorträge oder auch Weinverkostungen. Eine Theke mit Ausschank soll dabei für ein gemütliches Flair sorgen.
Wohl kaum ein Besucher wird sich dann vorstellen können, auf welch aufwendige Weise der Keller entstanden ist. Denn dieser ragt nun bis unters angrenzende Tobias-Mayer-Geburtshaus. Um das zu ermöglichen, wurden Wände entfernt – das 1711 gebaute Haus schwebte also förmlich über einer Baugrube. Unterhalb des Gebäudes, in dem Tobias Mayer in ärmliche Verhältnisse hineingeboren wurde, findet sich so auch bald – hinter den Kulissen – das kleine Technikzentrum des Museums. Durch den neuen Haupteingang gelangt man ins Erdgeschoss
und damit in den Ausstellungsbereich. Auch hier wurde ein Durchbruch ins Mayer-Haus vorgenommen, die alten Museumsräume werden weiterhin genutzt. Sie wurden saniert, die historisch anmutenden Dachbalken und die Natursteinwand sind neu ins Szene gesetzt. „Ein tolles Ambiente“, schwärmt Armin Hüttermann bei diesem Anblick, während ein Radio die Handwerker mit Musik unterhält. Und wo im Nachbarzimmer im Altbau noch eine Trocknungsanlage warme Luft auf die Baustelle bläst, wird sich der Toilettentrakt befinden. Im Neubau ist dazu Platz für den Kassenbereich, einen Shop – und besonders wichtig: für den größten Ausstellungsraum des neuen Museums.Dieser wird begrenzt durch den Treppenaufgang ins erste Obergeschoss.
Warum das eine Erwähnung wert ist? Ganz einfach: Die Aufgänge dienen als Lichtschacht – ein hohes, über zwei Etagen reichendes Fenster sorgt für Helligkeit. Der Treppenaufgang wurde dabei eigens mit einer Breite von 4,20 Metern konzipiert, damit das neue, vier Meter breite Panoramabild vom Wiener Künstler Michael Fuchs über das Leben von Tobias Mayer (wir berichteten) einen prominenten Platz erhält. Auch ein plastisches Mondkugelsegment, erstellt aus Daten der US-Weltraumbehörde NASA – samt dem T.-Mayer-Krater – wird in einem der beiden Räume auf dieser Etage zu sehen sein. Zwei Hingucker, um in der Sprache Armin Hüttermanns zu bleiben.
Wechselausstellungen sind im zweiten Obergeschoss
angedacht, das einen weiteren Höhepunkt bietet. Denn von hier kann man über die Dächer der Altstadt bis zur Alexanderkirche und zum Krankenhaus blicken. Sowohl durch die breite Glasfassade, als auch von einer kleinen Dachterrasse aus. „Ein schöner Platz für Sektempfänge“, findet Vorstandsmitglied Dieter Baader, der sich Tag für Tag auf der Baustelle um das Wohl der Handwerker kümmert. Die Terrasse ist das Ergebnis aus der Vorgabe, das Obergeschoss in der Altstadt nicht zu klobig wirken zu lassen. Die Wände sind im Vergleich zu den Untergeschossen nach innen versetzt. „Darüber sind wir aber ganz froh. Das gibt dem Ganzen eine gewisse Leichtigkeit“, meint Armin Hüttermann. Ein Blickfang sind auch die sechseckigen, je 80 Kilogramm schweren Fenster, die an die Farbdreiecke von Tobias Mayer in der Farbenlehre erinnern sollen.
In einem zweiten Raum werden Besucher hier selbst aktiv werden können, ob in der Bibliothek oder an mit Computern ausgestatteten Tischen. Auch der Arbeitsplatz eines Kartenkupferstechers, ein Beruf, den Mayer auch erlernt hatte, ist vorgesehen.
„Das wird alles vom Feinsten“, blickt Armin Hüttermann voraus, gerade in Anbetracht des Ausmaßes. Ohne Unterstützung hätte der Verein ein solches Museum nie stemmen können. „Nun bekommen wir das Haus mitsamt der Einrichtung geschenkt“, sagt er. Glücksfälle sind, dass der Verein das Grundstück für einen Euro kaufen konnte und, dass der Backnanger Unternehmer Hermann Püttmer das Projekt sponsert. „Auch unsere Mitglieder haben gespendet. Einer gar 25 000 Euro“, berichtet Hüttermann. Ebenfalls besonders: Der Gestaltung der Räume nimmt sich Achmed Rasch aus Stuttgart an, der das renommierte Astronomy-Center in Mekka verwirklichte.
Um auch langfristig handlungsfähig zu bleiben, sind die Mieteinnahmen aus der Obergeschoss-Wohnung im Mayer-Geburtshaus für den Verein besonders wichtig. Auch diese wird bis Sommer grundlegend saniert, um dann wieder vermietet werden zu können.